Im November erscheint bei uns die Hansa Teutonica Big Box. Das ist eine Neuauflage des Spiels, das ursprünglich 2009 beim Argentum Verlag erschienen ist. Sie enthält außerdem alle bislang veröffentlichten Erweiterungen. Redakteur Klaus Ottmaier, der eine ganz besondere Bindung zu diesem Spiel hat (mehr weiter unten), fasst zusammen, warum dieser moderne Klassiker in keinem Spieleregal fehlen sollte: „Ganz besonders sticht die direkte und positive Spielerinteraktion durch den einzigartigen Verdrängungsmechanismus hervor. Es ist mit keinem Spiel vergleichbar und dadurch auch durch kein anderes ersetzbar.“
Zu Celtic gesellt sich also mit der Hansa Teutonica Big Box in diesem Jahr im Pegasus Programm ein weiteres Spiel mit historischem Thema. Aber worum geht es thematisch denn jetzt genau? Hansa Teutonica ist lateinisch und bedeutet „Deutsche Hanse“. Die Hanse war im Mittelalter und der frühen Neuzeit ein Bund von Handelsstädten. Zu ihrer Hochzeit umfasste sie mehr als 200 Städte im Norden Europas. Immer noch erinnern zahlreiche Namen wie Hansaplatz und Hansastraße an den berühmten Städtebund. Und Orte wie Hamburg und Bremen tragen ihre Mitgliedschaft auch heute noch nicht nur im Namen sondern auch als zusätzliches „H“ im Autokennzeichen. Wer sich also immer schon gefragt hat, warum zum Beispiel Lübecks Kennzeichen „HL“ lautet: Es steht für Hansestadt Lübeck.
Das heute nicht mehr wirklich gebräuchliche Wort Hanse stammt von Althochdeutschen hansa ab, was so viel wie „Gefolgschaft“ oder „Schar“ bedeutet. Im Laufe des Mittelalters bildete sich aus kleinen Zusammenschlüssen von Kaufleuten langsam der mächtige Städtebund heraus, der als Hansa Teutonica berühmt wurde. So zusammengeschlossen konnten die Händler ihre Interessen an den Zielorten gemeinsam vertreten und durchsetzen und so gewährleisten, dass ihre Handelsrouten sicher blieben. Vor allem am Meer gelegene Städte wie Hamburg und Lübeck, aber auch Binnenstädte wie Köln oder Dortmund waren Teil der Vereinigung, deren Einflussgebiet sich vom Ostseeraum bis sogar nach London und Nowgorod in Russland erstreckte. Viele Städte kamen durch ihre Mitgliedschaft in der Hanse zu großem Reichtum und Einfluss.
Ganz so wirkmächtig wie die historische Hanse ist Hansa Teutonica zwar nicht, dennoch hat das Kennerspiel die Spielerschaft nicht kalt gelassen – nicht als es 2009 erschienen ist und auch heute noch nicht. Bis 2011 hat es unter anderem den holländischen Spielepreis und die Golden Geek Awards für das „Best Strategy Board Game“ und für das „Board Game of the Year“ gewonnen. Außerdem war es für den österreichischen Spielepreis und das Spiel des Jahres empfohlen. Zurzeit wird das Spiel bei H@ll900 – hierzulande fast schon ein Zentralregister für Spiele – auf Platz sechs der besten Spiele geführt. Und auch seine Stellung bei BoardGameGeek kann sich sehen lassen: Platz 135 unter mehr als 100.000 anderen Spielen weltweit.
Was aber hat dieses beliebte Spiel um eine mächtige Händlergemeinschaft nun mit Pegasus Spiele zu tun? Das Verbindungsglied ist unser Leiter der Redaktion Spiel, Klaus Ottmaier. (Klaus habt ihr schon in unserem ausführlichen Interview mit ihm kennengelernt. Solltet ihr das noch nicht kennen, schaut gleich mal in unseren Blogbeitrag Hinter den Kulissen – Interview mit Klaus Ottmaier, Leiter der Redaktion Spiel rein.) Hansa Teutonica ist das erste Spiel überhaupt, dass er als Redakteur betreut hat. Es nimmt für ihn daher einen ganz besonderen Stellenwert ein.
Klaus arbeitete 2009 aushilfsweise im Kölner Spieleladen „Spielbrett“. Der Laden hatte kurze Zeit zuvor den Vertrieb für den auch in Köln ansässigen Kleinstverlag Argentum Verlag übernommen. So wurde Klaus Teil einer Spielerunde mit dem Verlagsmitbegründer Roman Mathar. Als sich nach einem Abend niemand fand, um die vorliegenden Prototypen weiter zu testen, sprang kurzerhand Klaus in die Bresche. Die Aufgabe: Bis zur SPIEL‘09 in Essen – nicht mal zehn Monate später – ein veröffentlichungsreifes Spiel zu haben. Doch keiner der Prototypen konnte nach ausführlichen Testrunden begeistern und so stand Klaus im März mit leeren Händen und nur noch sieben Monaten Zeit bis zur Messe da. Passenderweise bekam er da eine Liste der Gewinner des Autorenwettbewerbs vom Hippodice Spieleclub e.V. zugespielt. Allerdings hatten sich andere Verlage natürlich die meisten Spiele der Liste schon lange gesichert. Auch der Gewinner Noblemen war schon weg und so konnte sich Klaus diesen Titel nicht sichern, obwohl er es über ein Jahr lang versuchte. (Der Verlag, der sich das Spiel schon gesichert hatte war übrigens – genau, Pegasus Spiele! Das Spiel erschien dann 2012 bei uns, als Klaus schon als Redakteur zu Pegasus gewechselt war).
Aber noch eines der anderen Spiele der Siegerliste interessierte Klaus, immerhin eines der besten sechs und noch verfügbar! Und nach einigen Tests stand für ihn fest: Das wird der Titel für die SPIEL 2009 für den Argentum Verlag. Über 70 Testpartien folgten. Immer weiter wurde an den Stellschrauben gedreht und das Feintuning verbessert, bis in enger Zusammenarbeit mit dem Autor Andreas Steding und dem Illustrator Dennis Lohausen aus „Wettstreit der Händler“ schließlich Hansa Teutonica wurde. Wie eingangs schon erwähnt, fand es großen Anklang in der Spielergemeinde. Klaus erzählt: „Für mich persönlich war diese Entwicklung sehr besonders und hat ganz klar die Grundlage dafür gelegt, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte.“ Auch die Ost-Erweiterung und die Britannia-Erweiterung erfreuten sich bei Fans großer Beliebtheit. Als die Rechte am Spiel 2019 an den Autor zurückgingen, stand schnell fest, dass Pegasus Spiele sich um eine Neuauflage bemühen würde. Und dass Klaus wieder die Redaktion übernimmt.
Was aber macht dieses Kennerspiel so besonders? Zunächst die Basics: Drei bis fünf von euch schlüpfen für 45 bis 90 Minuten in die Rolle mittelalterlicher Kaufleute. Durch geschicktes Einsetzen eurer Untergebenen auf dem Spielplan versucht ihr, Handelsrouten und -netzwerke zwischen den norddeutschen Hansestädten aufzubauen. Für erfolgreich aufgebaute Verbindungen könnt ihr je nach Route weitere Handelsniederlassungen gründen, eure Fähigkeiten ausbauen oder Sonderpunkte kassieren. Verbindet ihr beispielsweise Hamburg mit Lübeck dürft ihr eure Eigenschaft Einkommen verbessern. Dazu nehmt ihr einen der Händler von eurem Spielertableau, erhöht so gleichzeitig eure verfügbaren Händler und schaltet die neue Stufe der Fähigkeit Einkommen frei. Ihr versucht somit, möglichst schnell für euch lukrative Handelsrouten mit euren Händlern zu füllen. Denn nur wenn ihr eine Strecke komplett mit euren Händlern besetzt habt, könnt ihr sie auch einlösen. Schlecht also, wenn eure Mitspieler sich einfach in „eurer“ Route einnisten.
Und hier kommt der besondere Verdrängungsmechanismus ins Spiel, den Klaus seit 2009 so in keinem anderen Spiel gesehen hat: Ihr könnt jederzeit die Würfel der anderen Spieler von einem Platz auf einer Handelsroute verdrängen. Allerdings müsst ihr dafür nicht nur zusätzliche Händler abgeben, sondern eure Mitspieler dürfen ihren verdrängten Händler und einen weiteren sofort wieder auf der Karte einsetzen. Da überlegt man zweimal, ob man seinen Konkurrenten diesen Schub gönnen möchte.
Im Spiel seid ihr dabei niemals auf nur eine Strategie festgelegt. „Viele verschiedene Wege können zum Sieg führen und ihr werdet nach vielen Partien immer noch neu entdecken“, betont Klaus. Dabei steht ihr immer vor der nächsten spannenden Entscheidung. Verdrängt ihr eure Mitspieler und gönnt ihnen so vielleicht einen Schub? Konzentriert ihr euch auf Handelsrouten, die euch mehr Punkte bringen oder auf solche, die eure Fähigkeiten verbessern? Oder wollt ihr doch bessere verstärkt Handelsniederlassungen für ein großes Netzwerk gründen?
Damit auch bei den begeistertsten Vielspielern keine Langeweile aufkommt, enthält die Hansa Teutonica Big Box zusätzliche alle bislang veröffentlichten Erweiterungen, um eure Spiele noch abwechslungsreicher zu gestalten. Wenn ihr mit den Grundregeln vertraut seid, könnt ihr die Gunst des Kaisers mit ins Spiel bringen – immens teure aber dafür dauerhafte Privilegien oder zusätzliche Punkte am Spielende, die ihr beim Kaiser selbst ersteht, um euch weitere Vorteile zu verschaffen. Außerdem liegen der Box zwei weitere Spielpläne bei, die das Spiel auch um weitere Regeln bereichern. Die Östliche-Hanse zeigt eine Karte von Dresden bis Danzig, die auch Seerouten einschließt. Um hier Erfolg zu haben, müsst ihr verstärkt eure Großhändler – mächtigere Versionen eurer normalen Händler – einsetzen. Die Britannia-Karte schließlich führt eine Erlaubnis-Mechanik ein: Nur wenn ihr die Hauptstädte Britanniens kontrolliert, dürft ihr auch in Wales und Schottland Handelsrouten aufbauen.
Wir haben Klaus Ottmaier selbstverständlich gefragt, wie es sich angefühlt hat, nach all den Jahren nochmal zu dem Spiel zurück zu kommen: „Natürlich großartig! Was auch sonst, wenn der erste Titel, den man redaktionell betreut hat, elf Jahre später immer noch von Spielern gewünscht wird.“ Natürlich sieht Klaus einige Dinge etwas anders als 2009 und so bekommt das Spiel mit der Big Box auch noch das eine oder andere kleine Update spendiert. Die Deutsche Hanse mag schließlich untergegangen sein, aber Hansa Teutonica feiert gerade erst seinen erneuten Aufstieg. (Und ganz nebenbei passen die Farben der Hanse – rot und weiß – ganz hervorragend zum Pegasus Spiele Logo.)
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