Stefan Feld ist bekannt für seine mechanisch ausgeklügelten Eurogames wie BonfireDie Burgen von Burgund uvm. Zivilisationsspiele waren bisher jedoch nicht in seinem Repertoire zu finden. Mit Civolution, das auf einem Würfel-Aufbau-Mechanismus basiert, hat sich das jetzt geändert. Erlebt ein komplexes Eurogame mit Tech-Baum und zahllosen Möglichkeiten dank 224 Karten, aber ohne direkte Konfrontation.

Mehr über die Entwicklung des Titels, der bei unserem Partnerverlag Deep Print Games erschienen ist, über Herausforderungen und die Zusammenarbeit, berichten Autor Stefan Feld und Viktor Kobilke, der das Spiel redaktionell betreut hat, im Interview*:

Brettspiel Civolution

Stefan, wann hattest du überhaupt die Idee für Civolution? Wie lange hast du schon daran gearbeitet, bevor du es jemandem gezeigt hast?

Stefan Feld: „Puh, das ist schwierig zu beantworten. Also ich würde fast sagen, das war schon 2016/2017. Im Prinzip hat sich alles rund um den Würfelmechanismus im Spiel entwickelt. Den hatte ich schon ungefähr so zwei Jahre im Kopf, bevor ich mit Viktor und Matthias [Anm. d. Red. Nagy] darüber gesprochen habe. Aber da hatte sich dann schon abgezeichnet, dass das nichts ‚Kleines‘ werden kann bei bis dato 21 Aktionsmöglichkeiten, die dann von Viktor plötzlich verdreifacht wurden. 😊“

Viktor Kobilke: „Ich glaube auch, dass wir spätestens 2019 zum ersten Mal darüber geredet haben. Und 2019 war ich mit Matthias auf einem Spieletreff, da hast du uns auch schon was vom Spiel gezeigt.“

Also, dass man die Würfel kombiniert und damit die Aktionen auslöst, war der Kernmechanismus? Und kam dir der Mechanismus wirklich einfach irgendwann als Idee oder hast du dich hingesetzt und gedacht, ich will was Strategisches mit Würfeln machen?

Stefan Feld: „Also, dass ich irgendwann mal was mit Würfeln machen will, war klar. Vor ca. 20 Jahren hatte ich ein Kartenspiel entworfen, das aber nie veröffentlicht wurde. Darin bekam man auch eine bestimmte Anzahl an Karten auf die Hand und musste diese kombinieren. Was auf der Hand übrig blieb, hat dann eben die nachfolgenden Aktionen bestimmt. Dieses Spiel habe ich zwar irgendwann aufgegeben, aber schlussendlich Teile davon doch wieder neu aufgegriffen und auf die sechsseitigen Würfel übertragen. Tja und dabei kam dann dieser Aktionsbaum raus.“

Ihr habt gesagt, dass ihr spätestens 2019 zum ersten Mal über Stefans Spielidee gesprochen habt. In welchem Zusammenhang war das?

Stefan Feld: „Ich glaube, zum ersten Mal konkret drüber gesprochen haben wir auf der Berlin Con 2019. Damals aber ganz sicher noch ohne Thematik drum herum. Aber Viktor und Matthias haben damals schon gesagt, ja, es darf gerne auch was Großes, Schwergewichtiges werden. Und da ich schon immer mal was in Richtung Zivilisationsspiel machen wollte, am besten mit Evolutionselementen, habe ich danach in diese Richtung weitergedacht. Danach habe ich ungefähr ein Jahr dran rumgebastelt.“

Viktor Kobilke: „Anfang 2020, bevor Covid so richtig los ging, haben wir es dann zum ersten Mal auf einem Spieleevent gespielt.“

Stefan Feld: „Genau und da hatte es tatsächlich noch sehr viele Ecken und Kanten und war auch noch relativ aggressiv. Ich erinnere mich zum Beispiel noch daran, dass Peter [Anm. d. Red. Eggert] von meinem Sohn vollkommen vom Plan verdrängt wurde. Aber Peter ist ja da schmerzfrei, glücklicherweise. 😀 Aber die Richtung war schon mal klar und mir ist es grundsätzlich sehr wichtig, dass ich erstmal eine Rückmeldung erhalte, ob ein Spiel überhaupt in die richtige Richtung geht, damit wir entscheiden können: arbeiten wir weiter dran oder arbeiten wir nicht weiter dran.“

Und wann habt ihr den Prototypen dann das nächste Mal gespielt? 

Konsole mit Würfeln in dem Brettspiel Civolution

Viktor Kobilke: „Ich glaube, wir haben den damals direkt mitgenommen. Außerdem haben wir das Spiel auf Tabletopia, also digital, umgesetzt und dort weiter getestet. Später hat mir Stefan dann noch die ganzen Karten usw. geschickt, das war etwa Mitte, Ende 2020.“

Stefan Feld: „Das war für mich auch ganz neu, also die Zusammenarbeit mit Viktor. Meist ist es doch eher ein ständiges Ping-Pong mit den Redaktionen, aber hier haben wir ganz anders dran gefeilt: Ich habe erstmal nur ein grobes Gerüst abgegeben, dann hat Viktor lange dran gearbeitet, bis es wieder zu mir zurückkam usw. Erst in der Endphase gab es auch kurzfristige Absprachen. Das war ungewohnt, aber vor allem spannend und sehr effizient.“

Aber ist dir das leicht gefallen, also „die Zügel aus der Hand zu geben“?

Stefan Feld: „Viktor und ich hatten ja schon mal ganz kurz zusammengearbeitet, bei Forum Trajanum. Mir war also schon klar, dass die Zusammenarbeit gut funktioniert. Also ein gewisses Vertrauen ineinander ist natürlich Voraussetzung, genau wie die Bereitschaft zu sagen, okay, der andere darf jetzt auch ran und auch wirklich was verändern. Den eigenen Kontrollzwang muss man hier also ein bisschen bändigen. Aber mir fällt das eigentlich nicht schwer, ich sehe das fertige Spiel als ein Produkt von allen Beteiligten. Aber man muss loslassen können. Und manchmal fliegt ein Element raus und kommt, wenn es per se gut war, bei einem anderen Spiel wieder rein.“

Deep Print Games wurde offiziell ja erst 2020 gegründet. Da hattest du das Spiel schon an Viktor „übergeben“. Das Spiel ist demnach also dahingegangen, wo auch Viktor hingegangen ist?

Stefan Feld: „So eine Zusammenarbeit geht bei mir nur über die Beziehungsebene. In erster Linie muss es für mich einfach zwischen den Menschen stimmen, die mitarbeiten. Deswegen bin ich auch der Handschlagtyp. Frei nach dem Motto ‚Ihr habt es jetzt und ihr macht was draus und es wird schon werden‘. Ich habe da so eine Art Urvertrauen.“

Und wie findest du jetzt das fertige Spiel? Du hattest es ja dann 2023 auch das erste Mal nach einer längeren Pause wieder gespielt, oder?

Stefan Feld: „Genau! Ich finde es tatsächlich sensationell und es ist so, so viel besser geworden als das, was ich damals als Grobentwurf eingebracht habe. Ich finde es jetzt richtig gut und ich spiele es selbst auch unheimlich gerne – immer nur aus Spaß und nie auf Sieg. Aber, wenn ich mit den Herren von Deep Print Games spiele, da hab ich eh keine Chance.

Aber es ist genau das geworden, was ich mir erhofft hatte, beziehungsweise was ich mir von einem Zivilisations-Evolutions-Spiel erhofft hatte. Tatsächlich vor allem durch den Engine-Building-Anteil, den Viktor mitentwickelt hat.“

Viktor Kobilke: „Das war tatsächlich auch einer der Gründe dafür, die 21 Aktionen zu verdreifachen. Also dass man eben nicht nur auf Kartenglück hoffen muss, sondern es selbst in der Hand hat, bestimmte Sachen zu verbessern. Vorher war das nur über die Karten, die zufällig kamen, möglich. Das Upgraden ist natürlich ein Schritt mehr, aber gibt ganz viel zusätzliche Kontrolle, um in eine bestimmte Richtung zu gehen.“

Stefan Feld: „Und diese Änderung war ein Meilenstein! Das unterschätze ich auch manchmal, aber viele, gerade Fans von Expertenspielen, wollen einfach auch ‚ihr Ding ‘ runterspielen. Aber das geht bei meinen Designs oft nicht, weil man halt die Karten nicht immer kriegt. Aber das ist für viele entscheidend. Wie Viktor sagt, man hat jetzt zumindest das Gefühl, man hätte mehr Kontrolle.“

Welcher Aspekt in der Spielentwicklung hat schlussendlich am längsten gedauert? 

Spielfiguren auf dem Spielbrett des Brettspiels Civolution

Stefan Feld: „Ich glaube, am längsten haben wir an diesem Verdrängungs-Bewegungs-Mechanismus gefeilt. Wir sind tausend verschiedene Ansätze durchgegangen. Ich wollte von Anfang an ein Zivilisationsspiel, aber ohne die direkte Konfrontation. Es sollte auf jeden Fall im Bereich der Eurogames bleiben, aber dafür mussten wir im Vergleich zur ersten Version noch einiges anpassen, zum Beispiel einige Karten.“

Viktor Kobilke: „Genau, anfangs gab es 32 Karten von jedem Typ und 32 Ereignisse. Natürlich haben wir da noch aussortiert und einige Karten umgebaut, aber das Prinzip war schon im allerersten Prototypen drin: Nämlich, dass du so viele Karten hast, die alle was Unterschiedliches machen und alle bestimmte Kosten haben, aufbauend auf den 18 Rohstoffen. Irgendwann kam dann die Idee auf, dass wir es von der Rundenanzahl abhängig machen, wie viele Ressourcen man bezahlen muss.“

Stefan Feld: „Diese 18 Ressourcen, die kamen natürlich aus spielmechanischer Sicht auch zustande, weil es halt sechs mal drei waren, aber auch, weil die Dinge, die man mit den Ressourcen baut, sinnvoll zusammenhängen sollten. Also ein Segel oder ein Boot wird halt geteert, und so weiter. Es war mir wichtig, thematisch an die Zivilisation ranzuführen und ich hatte sogar für alle Karten so einen kleinen Flavourtext.“

Und dass das alles in eine Konsole eingebaut wird, war das auch von Anfang an da? 

Stefan Feld: „Nein, das kam von Viktor, das hatte er schon in seinem ersten selbstgebastelten Prototypen drin. Ursprünglich war es mal eine Pyramide, aber andersrum aufgefächert. Wir wollten dann noch Zeilen reinbringen, für die es Boni gab. Naja und dann haben wir einfach ein bisschen getüftelt und auch mal die Reihen um 90 Grad gedreht. Das hat gut funktioniert, dabei sind wir dann geblieben.“

Viktor Kobilke: „Ursprünglich waren die Karten auch gar nicht so präsent. Aber mein Ansatz war es, dass alles, wofür man am Ende Punkte bekommt, in Zusammenhang steht. Und so kamen wir dann dazu, dass man die Karten in die Konsole reinpuzzelt und damit weitere Dinge auslöst, dass also alles zusammenhängt.“

Stefan Feld: „Was dem Spielgefühl sehr gut getan hat ist, dass man für viele Karten nur Sofortboni bekommt. Das macht das Kartenausspielen attraktiver. Bei mir gab es anfangs vor allem Punkte für später ausgespielte Karten. Aber jetzt spielt man eben auch mal Karten aus, um die Konsole zu füllen, auch wenn mir der Effekt gerade nicht so viel bringt. Hier war die Zusammenarbeit zwischen uns sehr effektiv. Jedes Brainstorming war eine richtige Freude!“

Civolution ist schlussendlich ein sehr komplexes Spiel geworden. Habt ihr Sorge davor, dass Leute es als „zu viel“ empfinden könnten?

Stefan Feld: „Sicher wird es Leute geben, denen es zu komplex ist. Aber das Wichtigste ist, dass wir keine Erwartungshaltungen in die falsche Richtung entstehen lassen. Aber das Spiel enthält eben auch Glückselemente. Viktor sagte mal zu mir, dass meine Spiele immer so funktionieren, dass ich den Spielenden Chaos hinwerfe, das sie irgendwie unter Kontrolle bringen müssen. Aber es war uns wichtig, dass wir nur gerade den Punkt erreichen, wo Kontrolle möglich, aber eben nicht alles im Spiel ist. Also wer immer nur daneben würfelt, wird es schwer haben, eine Partie zu gewinnen. Aber der eigene Einfluss ist groß genug als dass man, wenn man weiß, worauf man spielt, trotzdem gut abschneiden kann. Und bei mehreren Partien wird sich dann eben doch der bzw. die bessere Spieler*in durchsetzen.“

Und man kann den eigenen Kurs auch immer wieder anpassen …

Viktor Kobilke: „Ja, absolut. Aber das ist es auch, was bei dem Spiel halt ‚gefährlich‘ ist. Ich glaube, viele, die häufiger verlieren, lassen sich zu sehr von den Würfeln leiten. Es ist riskant, zu sehr auf die Würfel zu schauen und nur Aktionen zu machen, die besonders gut zu den Würfeln passen. Riskanter als sich auf eine Sache zu fokussieren und weiter daran zu arbeiten. Sich durch die Würfel zu sehr ablenken zu lassen, weil ja so viel möglich ist, ist eine Falle, in die man nicht tappen darf. Aber auch dann noch macht das Spiel natürlich einfach Spaß. Natürlich kommt auch noch etwas an Zufall durch die Karten mir rein. Natürlich kann man mal eine super Starthand haben, aber das ist halt nicht wiederholbar. Und das ist für mich das Gute daran: Du musst die Bedingungen lesen und daraus irgendwie das Beste machen. Es gibt immer wieder Kombinationen, die ich selbst neu entdecke und dann merke, wow, die Kombi ist aber großartig. Bei der Menge an Kombinationsmöglichkeiten, lassen sich unmöglich alle vorab perfekt testen.“

Stefan Feld: „Aber die Erwartungshaltung aller immer zu erfüllen, das ist unmöglich. Viktor hat es schon beschrieben, es gibt im Spiel so viele Freiheiten und so viele Parameter, dass es natürlich in jeder Partie bessere und schlechtere Kombinationen gibt. Es ist dann an den Spielenden, sie zu lesen. Auch ich bin anfällig dafür, mich von den Würfeln ablenken zu lassen. 😉 Aber, und das ist, glaube ich, die Riesenstärke bei dem Spiel: Natürlich sieht man die anderen auch mal wegziehen, aber durch die umfangreiche Endwertung ist es doch so, dass man irgendwie nie so ganz genau weiß, wo es hingeht. Also man bekommt eben nicht dieses Gefühl vermittelt, dass die anderen wegziehen und bei einem selbst nichts rund läuft. Es ist ein befriedigendes Spielgefühl, egal, ob man jetzt vorne ist oder nicht.“

Lasst uns mal über die Illustrationen von Dennis Lohausen sprechen: Inwiefern hast du den Prozess dazu mitverfolgt, Stefan?

Stefan Feld: „Viktor hat mir immer den aktuellsten Stand gezeigt. Mit Dennis selbst habe ich, glaube ich, nur einmal ganz kurz darüber gesprochen. Aber ich habe mit Dennis schon so viel zusammengearbeitet, dass ich sehr froh war als Viktor sagte, Dennis wird das illustrieren. Ich wusste, dass er die Ikonographie, die Viktor ja schon sehr früh entwickelt hat, einfach super umsetzen wird. Außerdem bringt Dennis immer auch thematisch nochmal super Ideen mit rein!“

Und wie findest du es, dass du selbst im Spiel auftauchst?

Viktor Kobilke: „Ja als Direktor-Gott, das ist super! 😊“

Stefan Feld: „Naja, das ist natürlich nett für das eigene Ego. 😉“

Viktor Kobilke: „Ich hatte nicht gefragt, ob das für ihn okay ist. Aber das stand schon relativ früh fest, beziehungsweise, als wir in dieses Akademie-Thema gegangen sind. Der Direktor der Technischen Schöpfungsakademie heißt Agera, was von lateinisch Feld, ager, abgeleitet ist. Dennis hatte diese witzige Idee, auch mit der passenden Abbildung, und ich dachte, ja, warum nicht? Ich hatte aber das gleiche Problem bei dem Solomodus, den wir doch schlussendlich V.I.C.I genannt haben. Ich wusste auch erst nicht, ob ich das will, aber jetzt mag ich es so!“

Stefan Feld: „Ich meine, der Verlag, bei dem Civolution erscheint heißt nicht umsonst Deep Print. Dann dürfen wir unsere Fußdrücke auch ruhig hinterlassen.“

Vielen Dank für das Gespräch!

* Das Interview wurde von Deep Print Games geführt. Wir danken für die freundliche Genehmigung unseres Partnerverlags, es hier veröffentlichen zu dürfen.

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