*Hallo zusammen, ich bin Germán P. Millán und habe unter anderem bereits die beiden Expertenspiele Bitoku und Sabika entwickelt. Und ich freue mich, mit Men-Nefer einen weiteren Titel veröffentlicht zu haben, der zusammen mit Sabika in eine Reihe von Spielen aufgenommen haben, die wir [Anm. d. Red. der Autor und der ursprüngliche Herausgeber der Spiele, der spanische Verlag Ludonova] „Projekt Thaumata“ genannt haben. Während wir überlegen, welche Kulturen wir in zukünftigen Spielen besuchen wollen, teile ich in der Zwischenzeit einige Gedanken zur Entstehung von Men-Nefer mit euch:
- Kapitel I. Der Anfang und die Dokumentationen
- Kapitel II. Ressourcen in Men-Nefer
- Kapitel III. Die zentralen Mechanismen
- Kapitel IV. Eine Reihe von zusammenhängenden Spielen
- Kapitel V. Siegpunkte
- Bye bye
Kapitel I. Der Anfang und die Dokumentationen
Ich bezweifle, dass irgendein*e Autor*in sagen würde, dass die Entwicklung eines Spiels einfach ist. Nachdem ich mehrere Titel veröffentlicht habe, fühle ich mich zu Beginn eines neuen Projekts immer noch hilflos und ängstlich. Ich denke, das Impostersyndrom ist etwas, mit dem wir Autor*innen leben müssen.
Die Entwicklung von Men-Nefer war lang und kompliziert (für welches Spiel gilt das nicht?). Es hat sich so oft verändert, dass ich mich an eine Vielzahl von Details gar nicht mehr erinnern kann.
Wenn ich mir alte Versionen des Spielbretts ansehe, bin ich überrascht, dass es alle möglichen Mechanismen gab: Es gab Würfel, Arbeiter, die ihre Berufe wechseln, asymmetrische Kräfte, geheime Verträge … viele Dinge, die es jetzt nicht mehr gibt.
Ich erwähne das alles, weil ich es für wichtig halte, den Zeitaufwand und die Sorgfalt zu betonen, die nötig sind, um hochkomplexe Spiele zu entwickeln. Es ist wichtig, das Spiel zu strapazieren, zu versuchen, die Schwächen der Mechanismen herauszukitzeln und sie dann durch andere zu ersetzen, die das Gleiche besser tun – und das erfordert viele Spieltests. Im Fall von Men-Nefer kann ich sagen, dass es das Spiel ist, das am meisten unter diesen Stresstests und der ständigen Selbstkritik gelitten hat. Aber mit dem fertigen Spiel vor Augen, glaube ich nicht, dass es einen anderen Weg gibt, Spiele zu entwickeln – Zeit und Arbeit sind unerlässlich.
Ich erinnere mich sehr gut an das Jahr 2020, wahrscheinlich wie jede*r andere auch. Die spanische Regierung verhängte den Ausnahmezustand und wir durften das Haus lange Zeit nicht verlassen. Ich verbrachte diese Zeit damit, Bitoku und Sabika fertigzustellen, aber ich begann auch, über ein neues Spiel nachzudenken, angesiedelt im Alten Ägypten.
Ich bin mir darüber bewusst, dass das nicht das innovativste Thema ist, denn es gibt bereits viele Spiele, die in Ägypten spielen, aber meine Faszination für diese Kultur war mehr als genug, um mich trotzdem dafür zu entscheiden.
Ich erinnere mich, dass ich viele Dokumentarfilme über diese Zeit gesehen und das Videospiel Assasin’s Creed Origins gespielt habe, ein beeindruckendes Porträt des alten Ägyptens, in dem man als Fremdenführer*in einige Schauplätze besuchen kann, wo viele interessante Details erklärt werden. Das ist wie ein Museumsbesuch, nur eben in einem Videospiel. Eine fantastische Idee.
All diese Informationen sammelten sich in meinem Kopf an und nach und nach entwarf ich ein Eurogame-ähnliches Spiel, in dem die Spielenden Pyramiden bauten, Sphinxe errichteten, Adlige einbalsamierten, Opfergaben im Tempel darbrachten, auf dem Nil segelten… kurzum, wesentliche Aktivitäten im Alten Ägypten. Als ich den ersten Spielplan, den ich entworfen hatte, später wieder hervorholte, war ich überrascht darüber, dass alle wesentlichen Elemente des Spiels erhalten blieben, aber nichts mehr auf dieselbe Weise funktionierte.
Ich speichere grundsätzlich jede Spielplandatei separat, wenn es eine größere Änderung gibt. Die Datei des letzten Spielbretts, das für den Prototyp von Men-Nefer erstellt wurde, heißt „Board_V81“, und zu diesem Zeitpunkt haben wir beschlossen, dass das Spiel fertig ist. Hier ist das erste Brett, das ich entworfen habe.

Und hier unten seht ihr das bereits erwähnte „Board_V81“. Ihr denkt wahrscheinlich, dass es keine großen Veränderungen gibt, aber ich kann euch versichern, dass es sich um zwei völlig unterschiedliche Spiele handelt.

In meinen letzten Spielen habe ich mehr und mehr über das Verhältnis zwischen dem, was die Spielenden tun, und dem, was sie als Belohnung erhalten, nachgedacht, also über den Wert der Dinge.
Nehmen wir ein sehr einfaches Beispiel und stellen uns ein Spiel vor, in dem man Holz und Stein bekommen kann, wobei Holz leichter zu bekommen ist als Stein. Es wäre klug, eine Regelung anzuwenden, bei der Holz 2 Siegpunkte und Stein 3 Siegpunkte zählt. Stein sollte einen höheren Wert haben, da er schwieriger zu beschaffen ist.
Aber es gibt noch viele andere Möglichkeiten, diesen Aspekt anzugehen. Es gibt zum Beispiel Spiele ganz ohne Ressourcen, bei denen die Anzahl an Aktionen die Kosten für eine Ressource ersetzen: Wenn etwas mehr Aktionen von den Spielenden erfordert, sollte es dafür demnach eine höhere Belohnung geben als für etwas anderes, das weniger Aktionen erfordert. Einige von Stefan Felds Spielen verwenden diesen Ansatz.
Mit Men-Nefer habe ich eine Menge über dieses Konzept gelernt. Es muss nicht immer „Ich bekomme Ressourcen“ und dann „Ich gebe Ressourcen aus“ sein.
Kapitel II. Ressourcen in Men-Nefer
Ich erinnere mich, dass es in einem sehr frühen Stadium Ressourcen gab: Granit für Sphinxe, Kalkstein für Pyramiden, Natron für die Mumifizierung, Holz für den Bau von Schiffen… Es gab eine riesige Menge an Ressourcen, was dem Spiel eine tiefe thematische Ebene gab, aber auch eine Menge Probleme verursachte. Zum Beispiel, wenn man nur wenige Aktionen hat, um alles zu erledigen: ist es notwendig, eine Belohnung zu schaffen, die nach 4 Aktionen erreicht wird, wenn sie zusammengefasst und in 2 Aktionen erledigt werden kann?
Was ich aus vielen Fehlern gelernt habe: Was immer funktioniert ist, die Dinge auf ihr Minimum zu reduzieren. Wenn etwas auf eine einfachere Art und Weise funktioniert, bedeutet das, dass die Entwicklung auf dem richtigen Weg ist.
Dieser Prämisse folgend habe ich in einer Phase der Entwicklung alle Ressourcen abgeschafft und durch Arbeiter ersetzt. Wenn man eine Sphinx bauen will, muss man einen Baumeister einsetzen. Oder einen Einbalsamierer, um einen Adligen zu mumifizieren. Jetzt hatte ich nur noch 3 Ressourcen anstatt 6.
Diese Spielökonomie hat gut funktioniert und wir haben sie sogar noch ein bisschen verbessert. Man konnte auch Arbeiter bekommen, die für alles gut waren. Vielseitigkeit in einem Spielelement funktioniert immer und entschlackt das Spiel. Denkt an jedes beliebige Spiel, das Joker verwendet: Sie sind sehr nützlich für die Spielenden.
Viele Partien wurden mit diesem System gespielt, während andere „Zahnräder“ geschliffen, verändert und verbessert wurden. Als sich alles, was mit der Wirtschaft zu tun hatte, verbesserte, kam ein Punkt, an dem die Wirtschaft selbst nicht mehr gut funktionierte und den Spielfluss zu verlangsamen begann. Die Lösung bestand im Grunde darin, die Wirtschaft des Spiels weiter zu vereinfachen, indem sämtliche Arbeiter entfernt und in Spielaktionen zusammengefasst wurden. Wie schon gesagt, wenn etwas zur Vereinfachung führt, ist das der richtige Weg.
In Wirklichkeit ist es etwas komplizierter, denn Men-Nefer ist nicht gerade ressourcenarm, aber ein großer Teil der Wirtschaft wurde in Aktionsmanagement umgewandelt.
Dieses Bild zeigt ein Spielertableau aus der Zeit, als ich die Arbeiter einbaute. In einem einzigen Testspiel teilten sie sich das Rampenlicht mit den Ressourcen. Diese Spielrunde haben wir aber nie beendet, denn wir haben schnell bemerkt, dass die Arbeiter als Ressourcen besser funktionierten als die Ressourcen selbst. Manchmal dauert eine Testsitzung nur einen Augenblick und führt zu einer sehr interessanten Diskussion zwischen Autor*in und Testspieler*innen.

Ich habe es immer für eine gute Idee gehalten, Brettspiele und Uhren miteinander zu vergleichen: Es gibt mehrere Zahnräder, die kleinere drehen, die zusammen eine Maschine, oder in diesem Fall ein Brettspiel, in Bewegung setzen.
In der Regel gibt es ein sehr großes Zahnrad: die Hauptmechanik des Spiels. Daran sind mehrere kleinere Zahnräder befestigt: die Aktionen des Spiels. Diese drehen sich und setzen andere, noch kleinere Zahnräder in Bewegung: um eine Münze zu erhalten, um auf einer Strecke voranzukommen… Grob gesagt, funktioniert ein Brettspiel so.
Es ist sehr einfach festzustellen, dass es ein großes Zahnrad gibt, das die anderen bewegt, aber die einzelnen Teile zu finden ist sehr kompliziert. Ich denke immer darüber nach, wie es noch mehr Spaß machen kann, noch runder, noch einfacher… noch besser sein kann. Deshalb kommentieren meine Tester*innen oft amüsiert, dass jedes meiner Spiele ein Dutzend verschiedener Spiele war.
Kapitel III. Die zentralen Mechanismen
Die erste Men-Nefer Mechanik basierte auf Würfeln, die von den Enden eines Rasters aus so viele Schritte machten, wie die Zahl auf den Würfeln angab. Dann gab es mal einen gemeinsamen Pool aus Würfeln, die gewürfelt wurden und die Möglichkeit boten, die Aktionen auszuführen. Das hört sich alles fantastisch an, aber hat wahrscheinlich nicht sehr gut funktioniert. So etwas passiert immer wieder: Man hat eine tolle Idee, probiert sie in einem Spiel aus … und es funktioniert nicht so, wie man es sich vorgestellt hat. Das macht einen Teil des Reizes am Brettspiele Entwickeln aus, ständig Probleme zu lösen.

Die Grundmechanik von Men-Nefer hat sich viele Male geändert, weshalb ich sagen kann, dass es das Spiel ist, das mir am meisten Kopfzerbrechen bereitet hat. Es ist auf jeden Fall wichtig, nicht besessen zu werden. Ich glaube, ich habe zu viel Zeit mit dem Versuch verschwendet, die Würfel als Kernmechanik zum Funktionieren zu bringen, und ich habe gelernt, dass man, wenn etwas nicht funktioniert, es ändern und nach einem anderen Ansatz suchen muss.
In dem Moment, in dem ich die Würfel entfernt habe und die Spezialisierungsmarker einführte, begann das Spiel wie von Zauberhand zu funktionieren und bekam endlich ein zentrales Zahnrad, das die Maschinerie solide in Gang setzte.
Wenn ich ein Spiel entwerfe, entsteht eine riesige Menge an Ikonographie. Dieses Dokument beginnt immer ordentlich und harmonisch, aber am Ende ist es verwirrend und enthält Ikonographie, die gar nicht mehr verwendet wird. Für mich ist es, als würde ich die Entwicklung des Spiels in einem einzigen Bild sehen.

Kapitel IV. Eine Reihe von zusammenhängenden Spielen
Mit Sabika entdeckte ich das Vergnügen, Mechanismen auf der Grundlage historischer Ereignisse zu entwickeln, was ich bis dahin nicht getan hatte. Bei Men-Nefer verfolgte ich denselben Ansatz und begann mit dem Gedanken zu spielen, dass das Spiel Teil einer Reihe zusammenhängender Spiele sein könnte, wobei Sabika das erste Kapitel darstellt. Das beeinflusste von Anfang an mehrere Details bei der Entwicklung von Men-Nefer.
Zunächst einmal mussten die Komplexität und die Länge der Spiele ähnlich sein. Die Paria-Leiste in Sabika ist ein Element, das gegen alle Spielenden spielt, und ich beschloss, ein paralleles Element zu schaffen. So wurde die Duatleiste in Men-Nefer geboren. Und, das Sabikas Dreifach-Rondell erzeugt 3 Aktionszweige. In der Kernmechanik von Men-Nefer gibt es auch 3 grundlegende Aktionen, die wir ausführen können. Es ist nicht das Gleiche, aber es gibt etwas in der Struktur von Sabika, das sich in einigen Teilen von Men-Nefer wiederholt. Zum Beispiel ist die Mechanik der Aktionsplättchen nichts anderes als ein rotierendes Rondell mit Aktionen, das an das Rondell in Sabika erinnert. Niemand wird diese Details bemerken, aber es bestand die Absicht, die beiden Spiele zu verbinden, die schon seit einem sehr frühen Stadium der Entwicklung von Men-Nefer an bestand.
Als Ludonova diesen Vorschlag akzeptierte, sprachen wir außerdem ausführlich darüber, wie man die Spiele visuell und ästhetisch miteinander verbinden könnte. Wir alle fanden die Idee logisch und die Illustrationen wurden bei der talentierten Laura Bevon in Auftrag gegeben, die auch schon für die Sabika-Grafiken verantwortlich war. Die Gliederung des Covers und ein Großteil des ästhetischen Stils von Sabika wird in Men-Nefer fortgesetzt. David Prieto ist ein außergewöhnlicher Grafikdesigner und hat es geschafft, beide Spiele auf elegante und harmonische Weise zu verbinden. Ich denke, ihr werdet das Ergebnis seiner guten Arbeit und Laura Bevons Illustrationen lieben.
Kapitel V. Siegpunkte
Abschließend möchte ich über das Punktesystem sprechen. Ich glaube, alle meine Spiele haben die gleiche Struktur. Es gibt ein Gleichgewicht zwischen den Punkten, die man im Laufe des Spiels erhält, und den Punkten, die man am Ende des Spiels bekommt. Daraus ergeben sich in der Regel zwei Arten von Strategien und natürlich Mischformen, die beide vereinen.
Aber bei Men-Nefer wollte ich das neu überdenken, und das Ergebnis stand erst spät in der Entwicklung fest: Das Spiel ist in 3 Epochen unterteilt, an deren Ende jeweils alle Aspekte des Spiels gewertet werden. Sofortpunkte werden während des Spiels dagegen nur sehr spärlich vergeben. Das ganze Gewicht liegt auf dem Ende der Epochen und ich denke, dass dies sehr spannende Momente sind, in denen es Überraschungen und Wendungen gibt.
Dieses System zwingt die Spielenden dazu, sich gegenseitig sehr gut zu beobachten und die Absichten der anderen im Blick zu behalten. Also, wenn du in einem Bereich 3 Punkte vor mir liegst, bedeutet das, dass ich daran arbeiten muss, in einem anderen Bereich 4 Punkte vor dir zu liegen. Natürlich haben wir dafür gesorgt, dass man nicht alle Bereiche ausschöpfen kann und dass man sich auf seine Strategie fokussieren muss.
Bye bye
Wenn du es bis hierhergeschafft hast, danke ich dir für deine Zeit und entschuldige mich für den seltsamen Ansatz dieses Tagebuchs. Ich kann mich nicht mehr an eine klare Struktur in der Entwicklung von Men-Nefer erinnern und habe daher lose zentrale Ideen gesammelt. Wahrscheinlich habe ich mich zu sehr von den Überlegungen und Abschweifungen ablenken lassen.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um die Sorgfalt und das Engagement des Ludonova-Teams bei der Entwicklung eines fantastischen Spiels hervorzuheben, ebenso wie das Talent von Laura Bevon, die den Prototyp zum Leben erweckt hat. Ich darf auch nicht die vielen Spielenden vergessen, die an den Tests teilgenommen haben – es war ein langer Weg.
Vielen Dank, dass du dieses Tagebuch gelesen hast, und wenn du Men-Nefer spielst, hoffe ich, dass es dir gefällt.
* Dieser Beitrag stammt im englischen Original von Ludonova. Wir danken für die freundliche Genehmigung unseres Partnerverlags, ihn hier veröffentlichen zu dürfen.